Es war vor zwei Jahren als wir in unserer WG in der Neuerburgstraße zum ersten Mal Angst hatten, dass wir ausziehen müssen. Unser Vermieter wollte das Haus, das wir sechs Jahre lang gemietet hatten, verkaufen. Menschen kamen – einen Makler im Schlepptau. Sie liefen durch unsere Zimmer. Begutachteten die Raumaufteilung und die Bausubstanz. Uns wurde klar: Wer auch immer das Haus kauft, meldet Eigenbedarf an. Und wir? Sind raus.
Das brachte uns auf eine Idee. Über Freund*innen hatten wir vom Mietshäuser Syndikat gehört, einer Struktur, die es uns ermöglichen könnte, weiter in dem Haus zu wohnen, ganz ohne die Bedrohung, ausziehen zu müssen. Ende 2018 fiel die Entscheidung: Wir versuchen es. Uns stand ein arbeitsreiches Jahr bevor.
Das Mietshäuser Syndikat (https://www.syndikat.org/de) ist ein Verein, in dem sich eine ständig wachsende Zahl von Wohnprojekten (aktuell annähernd 160) und Einzelpersonen organisiert. Der Verein verfolgt das Ziel, bezahlbaren Wohnraum dauerhaft zu sichern, indem seine Mitglieder Häuser vom Immobilienmarkt nehmen. Klingt abstrakt? Es funktioniert. Das Syndikat schlägt die Immobilienwirtschaft „ mit ihren eigenen Waffen“ und hat deshalb eine gemeinsame GmbH gegründet. Diese gründet mit jedem einzelnen Wohnprojekt – auch mit uns – eine Hausbesitz-GmbH. Und die kauft und verwaltet das Haus.
Das Konstrukt ermöglicht den Wohnprojekten ein Leben in Selbstverwaltung und ist zugleich ein Bollwerk gegen Mietenwahnsinn. Warum? Weil das Syndikat ein Vetorecht hat, wenn ein Projekt sein Haus verkaufen will. Auf diese Weise bleibt der Wohnraum bezahlbar und selbstverwaltet, auch wenn Menschen aus- und neue Menschen einziehen.
Die Projekte finanzieren den Hauskauf über eine Mischung aus Bankkrediten und Direktkrediten (das sind kleinere Darlehen, die Freund*innen und Sympatisant*innen gewähren). Eigenkapital spielt keine Rolle, damit es nicht vom Kontostand der Menschen im Projekt abhängt, ob sie ein Syndikatsprojekt werden können und in dem Haus wohnen können.
Wir in der Neuerburgstraße 4 (https://dieneuerburg.wordpress.com) haben den Hauskaufprozess im Dezember 2019 hinter uns gebracht. Wir haben einen Bankkredit und viele Direktkredite eingesammelt. Wir haben einen Hausverein und – gemeinsam mit dem Syndikat – eine GmbH gegründet. Wir haben einen Finanzplan erstellt. Und Ende Oktober haben wir den Kaufvertrag unterschrieben. Jetzt sind wir ein weiteres Bollwerk gegen das Geschäftetreiben mit Immobilien. Übrigens das zweite in Köln (nach der DreiLessiDrei in Ehrenfeld) und das fünfte in Nordrhein-Westfalen.
Natürlich werden wir nicht umsonst wohnen. In den kommenden 30 Jahren werden wir Bewohner*innen dieses Hauses mit unseren „Mieten“ die Kredite tilgen. Und wir werden mit dem Syndikat ein Solidarsystem unterstützen, dessen politisches Ziel wir teilen und hochhalten: Wohnraum muss bezahlbar und sicher sein. Die Häuser denen, die darin wohnen!
Kontakt: dieneuerburg@riseup.net