Am Montagmittag mache ich mich wieder auf in die Rolshover Straße. Ab Ecke Hauptstraße versuche ich die Lage zu erkunden. Von hier sieht es immer so aus, als habe der Laden geschlossen. Ein paar junge Männer stehen vor der italienischen Bar auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Vor mir betritt ein Mann die Metzgerei. Ich folge ihm durch den vorderen Teil des Geschäfts, in dem man Pasta und Konserven kaufen kann. Die Kasse, die mich aufgrund ihrer geringen Höhe immer an einen Kaufmannsladen für Kinder erinnert, ist nicht besetzt. Aber hinter der Theke steht, in einem makellosen weißen Kittel, die mittelalte Dame, bei der ich sonst meine Wurst kaufe. Dann sehe ich den Chef. Er ist frisch rasiert und schaut mich fröhlich an.
„Da bin ich wieder“, sage ich und bemerke erst dann wieder den Mann neben mir.
„Entschuldigung, Sie waren zuerst dran.“
„Ich würde gerne …“, sagt der Mann.
Der Chef winkt ihn rüber zu seiner Mitarbeiterin. „Er will mich etwas fragen“, sagt er und zeigt auf mich.
„Da bin ich wieder“, sage ich noch einmal.
Ich bekomme erklärt, dass er seinen Bruder gefragt habe, dass das aber leider nicht gehe, wegen zu viel Stress und überhaupt zu viel.
„Zu viele Kunden?“, frage ich.
„Neinein“, sagt der Chef, „die Gesundheit.“
Obwohl ich innerlich schon auf eine Absage eingestellt bin, frage ich trotzdem.
„Aber ein bisschen schreiben, darf ich trotzdem?“
„Aber nicht, dass wir besser als andere …“
„Komm“, sagt er und ich folge ihm hinter die Theke, vorbei an der schmalen Wurstküche in ein winziges Büro. Der jüngere Mann von den letzten Besuchen wischt sich die Hand an der Schürze ab und begrüßt mich.
Ich setze mich auf einem hellbraunen Hocker neben dem überfüllten Schreibtisch. Überall Aktenordner, Papiere und ein bisschen Nippes. Ich fasse neuen Mut.
„Ich zeige Ihnen das mal auf dem Computer“, sage ich, klappe mein Notebook auf, vertippe mich erst einmal mit dem Passwort und öffne den aktuellen Beitrag mit Bäcker Schlechtrimen.
„Gut“, sagt Giuseppe Iaia, „das ist gut. Ein bisschen Werbung ist immer gut. Aber nicht sagen, dass wir besser sind als die anderen.“
„Nein, mache ich nicht“, verspreche ich ihm.
„Ich habe auch …“, sagt er, greift über mich hinweg in einen Schrank, in dem weitere weißen Schürzen liegen, und reicht mir eine Visitenkarte.
Ein grün umrandetes Foto zeigt ihn vor seiner Theke, ein Messer in der Hand, beim Schneiden von Rindfleisch. 67 Jahre ist er alt und seit 40 Jahren hier. „Immer hier“, sagt er und beschreibt mit einer Handbewegung vage Kalk und die nähere Umgebung. Aus Apulien stammt er, im Südosten Italiens. In Köln ist er gelandet, weil sein Vater hier in der Fabrik gearbeitet hat. Wieder die Handbewegung.
„Habe ich besucht, habe ein bisschen geguckt und dann bin ich geblieben und habe ein Geschäft aufgemacht.“
Ob der jüngere Mann sein Sohn sei, will ich wissen.
„Nein, das ist der andere. Diese hier ist … ein Freund.“
Aber auch sein Sohn arbeitet hier und der Bruder natürlich. Ein Familienunternehmen eben.
„Und ein Foto geht aber nicht?“, frage ich sicherheitshalber noch einmal, wo ich jetzt schon so weit gekommen bin.
„Ja, ja, doch, warum nicht?“
Und dann wird mir klar, dass es die ganze Zeit nur darum geht, dass sein Bruder nicht mit aufs Foto möchte oder kann.
„Haben Sie auch eine Internetadresse“, frage ich, „dann kann ich Ihnen den Beitrag schicken, wenn er fertig ist.“
„Nein, nein, habe ich nicht. Wenn die jungen Leute das wollen – warum nicht. Aber ich, nein.“
„Grazie“, sage ich und reiche ihm die Hand, „alla prossima.“
Ein Lächeln geht über sein Gesicht. „Alla prossima. Ciao.“
Metzgerei Guiseppe Iaia
Johann-Mayer-Straße 18 / Mo-Sa 8-18
Diese Reihe ist Teil der „Supermarkt-Challenge“, einer Initiative der Aktion Agrar, die mit Kampagnen, Hintergrundrecherchen und Mitmach-Aktionen das Verhältnis der Menschen zu ihren Lebensmitteln verändern wollen. Eine Woche lang, vom 19. bis zum 26. Oktober, verzichten die Teilnehmer*innen der Challenge bewusst auf den Einkauf in Supermärkten und Discountern und werden dabei mit Tipps und Rezepten unterstützt.