Eine ganze Woche bin ich unterwegs gewesen und habe mich am Einzelhandel hier in Köln-Kalk abgearbeitet. Das war lustig, manchmal verwirrend und mitunter auch ein bisschen anstrengend. Dass die Dinge meist nicht so laufen, wie man sich das vorher ausgedacht hat, ist Teil meines Berufs und einer der großen Reize des Journalismus.
Mein ursprünglicher Plan beinhaltete sieben Porträts von kleinen Geschäften und Verkaufsstellen, abseits der großen Supermärkte. Aber schon nach den ersten Anfragen strich ich die Anzahl auf vier zusammen und beschloss, nicht die Suche nach den Läden, sondern die Kommunikation mit ihren Inhabern (allesamt Männer, aber das ist eine andere Geschichte) und Mitarbeiter*innen in den Fokus zu nehmen. Die war mal schnell und problemlos, dann zäh und ergebnislos, mitunter musste ich mir das Vertrauen erarbeiten und einmal blieb das Verhältnis merkwürdig nebulös.
Alles in allem waren die Kontaktaufnahmen für mich persönlich mit einer überraschend hohen Hemmschwelle verbunden. Mit unbekannten Menschen zu sprechen, gehört ebenfalls zu meinem Beruf, aber irgendwie fiel es mir schwer, Notizbuch, Stift und Kamera zu packen und los zu ziehen. Vielleicht weil es mein eigenes Veedel ist und ich das erprobte Script beim Einkaufen, meine Comfort Zone als Kunde verlassen musste. Bei einem Interview, so kurz es auch sein mag, verlange ich nicht nur ein halbes Brot oder ein Pfund Bratwurst, sondern ich will ein Stück Privatheit, eine Geschichte, etwas persönliches, das weit über den regulären Einkauf hinaus geht.
Früher, vor dem Supermarkt, so vermute ich, war dieses Persönliche viel mehr, vielleicht sogar immer Teil des Verkaufsverhältnisses. Man kannte die Menschen vor und hinter der Theke, mitunter auch ihrer Sorgen und Nöte. Mit der Einführung der Selbstbedienung hat sich dieses Verhältnis dauerhaft verschoben. Zumindest im Supermarkt. Wir wollen gar keine persönliche Ansprache, wir wollen ein standardisiertes Produkt, möglichst das einer uns bekannten Marke. Und wir wollen möglichst schnell wieder draußen sein.
Immer wieder begegnete mir Misstrauen. Was will der von mir? Kostet das Geld? In einem Fall wurde ich sogar gefragt, ob ich mit dieser Aktion Geld verdiene. (Ja, tue ich. Ich bekomme für diese Beiträge ein kleines Honorar von der Initiatorin der Challenge.) Klar ist, der Bäcker, der Fleischer, der Röster und der Fischhändler gehen ihre Risiken selbst ein. Hinter ihnen steht keine geölte Marketingmaschine, die Fehler im Zweifelsfall ausbügelt oder abfedern kann. Er sei ernüchtert, so sagte mir einer meiner Gesprächspartner. Ich bin kein Lebensmittelhandwerker und kann das nur aus einer journalistischen Perspektive einschätzen. Aber ich glaube an gesellschaftliche Veränderung, und ich glaube daran, dass wir mit Spaß eine Menge erreichen können. Mit Lust, nicht mit Angst oder schlechtem Gewissen.
Also geht es mir nicht so sehr um die Kritik an den großen Konzernen, es geht mir um das, was jede*r, jeden Tag für sich selbst entscheiden kann.
Daher: Es gibt ihn noch, den geilen Scheiß. Geht hin, damit er nicht kaputt geht!
Diese Reihe ist Teil der „Supermarkt-Challenge“, einer Initiative der Aktion Agrar, die mit Kampagnen, Hintergrundrecherchen und Mitmach-Aktionen das Verhältnis der Menschen zu ihren Lebensmitteln verändern wollen. Eine Woche lang, vom 19. bis zum 26. Oktober, verzichten die Teilnehmer*innen der Challenge bewusst auf den Einkauf in Supermärkten und Discountern und werden dabei mit Tipps und Rezepten unterstützt.