Supermarkt-Challenge 03/07

„Wir gehen heute zum Bäcker“, sage ich zum Kind. „Bäcker gehen“, sagt das Kind und ist sichtlich erfreut. Vermutlich, weil zum Bäcker gehen bedeutet, dass man etwas zu essen in die Hand gedrückt bekommt – ein Rosinenbrötchen etwa. Vielleicht aber auch, weil ihm klar ist, dass der Bäcker auf dem Weg zu seinem geliebten Schaukelauto liegt. Man weiß das nicht so genau. Der Seiteneingang, der durch den Flur in die Backstube führt ist offen und wir schlängeln uns zwischen den Mitarbeiter, die die leeren Bleche nach dem Ausliefern zurückbringen, vorbei ins Haus. „Ich sag dem Chef mal Bescheid“, sagt Frau Hommer, seine Assistentin. Das Kind guckt gebannt um die Ecke, wo gerade Mehl und Backreste auf dem Boden zusammengefegt werden. „Möchtet ihr vielleicht in der Zwischenzeit mal die Backstube anschauen?“

Wir drehen eine Runde durch den Betrieb, wo gerade aufgeräumt wird, besichtigen die Arbeitsplätze der Konditor*innen und Bäcker*innen und werfen einen Blick in den noch warmen Ofen. 1932 eröffnete der Großvater des jetzigen Inhabers die Bäckerei, zunächst in Mülheim, von wo aus der Betrieb ein Jahr nach Kriegsende in die Kalker Hauptstraße umzog. 1994 erfolgte die Übergabe des Betriebs an den mittlerweile dritten Engelbert Schlechtrimen. Gegenwärtig hat das Unternehmen rund 60 Mitarbeiter in insgesamt fünf Filialen im rechtsrheinischen Köln.

„Necke“, sagt das Kind und zeigt auf die rote Schnecke auf einer Brötchentüte. „Der Slow Baker“ steht auf dem hellbraunen Papier über der Fotografie eines Brötchenkorbs. Engelbert Schlechtrimen ist Kölns einziger zertifizierte Slow-Baker. Das bedeutet nicht nur, dass seine Backwaren frei von unnötigen Zusatzstoffen sind, sondern dass die Sauer- und Vorteige langsam und über mehrere Tage reifen. „In den langen und natürlichen Reifeprozessen bauen Enzyme aus den Bestandteilen des Mehls das spätere Gebäckaroma“, heißt das, wenn der Fachmann erklärt.

Aber auch wenn hier so gebacken wird „wie früher“, ist die Bäckerei kein Museum der Vergangenheit. 2013 wurde der Betrieb auf Vorschlag der Mitarbeiter*innen Halal-zertifiziert. Brot und Brötchen entsprechen somit den Anforderungen der Speisevorschriften des Islam. Lediglich bei den Konditorei-Produkten wird aufgrund der möglichen Verwendung von Alkohol eine Beratung empfohlen. Ein bewusstes Zeichen hier in Kalk, mit seinem hohen Anteil muslimischer Bürger*innen und eins, das in keiner Weise mit der traditionellen Ausrichtung des Betriebs mit Oberländer, Bienenstich und Mettbrötchen im Konflikt steht.

„Wer in dem Traditionscafé zum wochentäglichen Frühstücksbüffett vorbeischaut, wähnt sich auf einer Flusskreuzfahrt alter Schule“, schreibt eine Kollegin im aktuellen Restaurantführer tagnacht über die morgendliche Ansammlung von älteren Menschen, die sich hier verabreden. Vor der Teilchentheke liegen Flyer für Yoga, Kindertheater und den Bürgerverein Kalk e.V. und draußen auf der Straße machen viele Passant*innen Halt vor dem offenen Bücherschrank, in dem gelegentlich auch russisch-sprachige Bücher zu finden sind. Diese Bäckerei ist weit mehr als eine Verkaufsort für Brot, Brötchen und Kuchen von guter Qualität, sie ist eine Institution.

„Ich finde deine Projekte toll“, sagt Engelbert Schlechtrimen und meint damit nicht nur meine Teilnahme an der Supermarkt-Challenge sondern auch das Mini Food Reading Festival, mit dem wir bei ihm im Café zu Gast waren, „aber ich bin da mittlerweile etwas abgeklärt. Die breite Masse werden wir vermutlich nicht erreichen.“

Vor dem Geschäft machen wir Porträtfotos mit einem frisch angeschnittenem Möhrenbrot. Ein Dame mit einem Blumenstrauß in der Hand betrachtet ausgiebig die Auslage und wir warten einen Moment, bis sie weitergegangen ist. Das Kind inspiziert derweil die noch nicht eröffnete Außengastronomie vor dem Haus. „Möchtest du ein Hörnchen?“, fragt der Bäcker.

Bäckerei Schlechtrimen

Kalker Hauptstraße 210 / Mo-Fr 6.30-18, Sa 6.30-14, So 7.30-17 / schlechtrimen.de

Diese Reihe ist Teil der „Supermarkt-Challenge“, einer Initiative der Aktion Agrar, die mit Kampagnen, Hintergrundrecherchen und Mitmach-Aktionen das Verhältnis der Menschen zu ihren Lebensmitteln verändern wollen. Eine Woche lang, vom 19. bis zum 26. Oktober, verzichten die Teilnehmer*innen der Challenge bewusst auf den Einkauf in Supermärkten

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